Das Knie tut nicht weh, das Gehirn fühlt den Schmerz: Eine Theorie des Schmerzes

Wenn das Knie weh tut, denkt man instinktiv, das Problem liegt im Knie. Interessanterweise ist das nur die halbe Wahrheit. Denn der Schmerz wird im Gehirn gefühlt. Es lässt uns wissen, das etwas nicht stimmt. Der Schmerz ist dabei lediglich der Weg der Kommunikation. Das Verständnis dieses Prozesses öffnet Türen zu innovativen Ansätzen in der Arbeit mit Schmerz. Neuroathletik nutzt diesen Ansatz.

Die Neuromatrix-Theorie des Schmerz

Die Neuromatrix-Theorie des Schmerz wurde in den 1990er Jahren von Ronald Melzack entwickelt und bietet eine immernoch revolutionäre Perspektive auf die Schmerzwahrnehmung. Die Aussage: Schmerzen sind nicht nur das Ergebnis von “Schadenssignalen”, die von einem verletzten Körperteil zum Gehirn gesendet werden. Stattdessen ist Schmerz das Ergebnis eines Netzwerks von neuronalen Mechanismen im Gehirn, bekannt als die “Schmerz-Neuromatrix”, das für diese Schmerzsignale verantwortlich ist.

Diese Neuromatrix wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Unter anderem sensorische Eingaben (z.B. von Verletzungen), aber auch Informationen über Gelenk- und Muskelstellung (Propriozeption) und emotionale sowie kognitive Faktoren berücksichtigt unser Gehirn. Alles wird zusammengeworfen und interpretiert.

Ein Beispiel: Laufen wir im Sommer barfuß über eine Wiese und treten auf etwas spitzes, denken wir eventuell instinktiv an eine Wespe. Der Fuß tut weh, wir gucken ob wirklich eine Wespe auf dem Boden war. Wir sehen keine Wespe, nur einen kleinen Stein. Auf einmal schwindet der Schmerz und wir gehen ganz normal weiter. Kontext und Erwartungen beeinflussen Schmerzwahrnehmung im Gehirn. Da Schmerz im ersten Schritt ein “Warnsignal” darstellt. Das bedeutet, das zwei Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen und Erfahrungen unterschiedliche Schmerzempfindungen haben.

Neuroathletik und Schmerz

Das Verständnis, dass Schmerzen im Gehirn und nicht am Ort der Verletzung “erzeugt” werden, hat große Auswirkungen für Therapie & Behandlungsmöglichkeiten. Neuroathletik nutzt diese Möglichkeiten. Wir konzentrieren uns im Training darauf, wie das Gehirn und das Nervensystem reagieren. Ist der Schmerz, der gerade gefühlt wird ein sinnvoller, protektiver Schmerz? Oder ist der Schmerz, der gerade empfunden wird unphysiologisch, unangepasst und hat im Moment keine objektive Daseinsberechtigung?

Fazit

Die Vorstellung, dass Schmerzen nicht nur eine direkte Reaktion von Gewebeschäden sind, sondern vielmehr das Ergebnis komplexer neuronaler Prozesse im Gehirn. Das verändert auch die Art und Weise wie wir über die Behandlung denken sollten. Es eröffnet Möglichkeiten andere Interventionsstrategien zu nutzen. Emotionale, kognitive aber auch physische. Das Knie mag der Ort sein, an dem der Schmerz seinen Ursprung hat, aber es ist letztendlich das Gehirn, das entscheidet, ob der Schmerz und in welcher Form wahrgenommen wird.

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